Montag, November 29, 2010

Casale Monferrato


Casale Monferrato ist eine alte italienische Stadt, die heute etwa 36'000 Einwohner umfasst. Sie liegt am Po zwischen Turin und Mailand und gehört zur Provinz Alessandria und der Region Piemont. Unmittelbar in südwestlicher Richtung ragt der Hügel Monferrat aus der riesigen Fläche der Poebene heraus, der für die Landwirtschaft und den Abbau von Zement genutzt wird.
Diesen Herbst habe ich zweimal diese Stadt besucht, die über eine intakte Altstadt und einen Marktplatz italienischen Zuschnitts verfügt. Doch etwas ist hier besonders: Es gibt eine Synagoge aus der Barockzeit - die einzige zwischen Turin und Mailand - und sie gehört zu den schönsten Europas. Sie ist nicht gerade einfach zu finden, ist sie doch in einer Sackgasse gelegen und passt sich unscheinbar in die umliegenden Häuser ein. Ihre wahre Pracht entfaltet sich im Innern: über einen Gang erreicht man rechter Hand die Synagoge.


Am gleichen Gang gleich danach öffnet sich ein kleiner Innenhof mit einem Granatapfelbaum, der als Lebenszeichen und Symbol dient.


Ein Mitglied der inzwischen auf acht Männer geschrumpften jüdischen Gemeinde - sie ist heute daher nicht mehr voll funktionsfähig - zeigte und erklärte mir wohlwollend Synagoge und umliegende Räume. Zu den besten Zeiten im neunzehnten Jahrhundert, als der König die Religionsfreiheit einführte und somit das Ghetto aufhob, umfasste die Gemeinde um die achthundert Mitglieder. Durch die Faschisten in den Dreissigerjahren wurden die Juden wieder gesellschaftlich und wirtschaftlich stark eingeschränkt. Die Kollaboration mit Nazideutschland bedeutete dann, dass gegen Kriegsende 63 Gemeindemitglieder in Auschwitz zu Tode kamen.

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Sonntag, November 28, 2010

Ascona im Winter


Heute ist zwar winterlicher Schneefall hier, ansonsten ist es aber südlich der Alpen häufig schönes Wetter im Tessin. Ascona und der Lago Maggiore haben dann eine besondere Magie mit ihren Stimmungen und Sonnenuntergängen. Der Himmel zeigt sich manchmal in allen Farbabstufungen, eingerahmt durch weisse Schneeberge und den spiegelnden See. Vieles ist dann ruhig und beschaulich, die Hetik scheint weit weg.

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Mittwoch, November 24, 2010

Ist Glaube schön?

Heute bekam ich das neue "BART. Magazin für Kunst und Gott" zugeschickt, weil das deutsche "respect" eingehen wird, schade! Darin hat mich besonders der Essay von Adrienne Dengerink Chaplin angesprochen. Auf wenigen Seiten stellt die englische Philosophin den Zusammenhang zwischen Schönheit und Gotteserfahrung her.
Thomas von Aquin, den sie eingangs als Referenzpunkt erwähnt, war da (leider) distanzierter, als er sagte: "Schönheit ist, was beim Anblick gefällt".
Der verstorbenene katholische Theologe Hans Urs von Balthasar beschäftigte sich in den Sechzigerjahren intensiv mit einer theologischen Aesthetik und meinte: "In einer Welt ohne Schönheit verliert auch das Gute seine Anziehungskraft."
Chaplin zeigt auf, dass bereits die Hebräer diese ganzheitliche Aesthetik kannten. Denn ihre Wahrnehmung war dynamisch, körperhaft und umweltbezogen. Das war weit mehr als nur ein schöner Anblick, an dem vor allem die Griechen Gefallen gefunden hatten. Schönheit ist etwas Anziehendes, das intensives Verlangen weckt. Dieses Verlangen kann nur sinnvoll gestillt werden, wenn Schönheit mit Wahrheit, Güte verknüpft und dann in einem lebendigen Kontext erfahren wird.

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Sonntag, November 14, 2010

B wie Begegnung mit Gott


Letzte Woche habe ich in idea Schweiz einen kürzeren Artikel über attraktive Gottesdienste in der reformierten Landeskirche gelesen. Dabei sind mir die vier darin enthaltenen Elemente von Pfarrer Alfred Aeppli eingefahren, die vier "B", die er für grundlegend hält:

- (Hör)Bereit sein für Gott
- Berührt von seinem Wort, der Bibel
- Bewegt zur Antwort
- Begleitet von Gottes Segen


Diese vier "B" scheinen mir elementar für jede Begegnung mit Gott zu sein, sei es nun im Gottesdienst, in einer Andacht, einer Besinnungs- oder in der persönlichen "Stillen Zeit". Ich wünsche mir, darauf zu achten.

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Donnerstag, November 04, 2010

Parabeln von Jesus


Parabeln oder Gleichnisse waren eine übliche Erzählform zur Zeit des Alten Testaments:
So erzählte Natan David, der schwer gesündigt hatte, eine Geschichte zweier Männer in 2. Samuel 12,1-5. Und der Weinberg als Gleichnis für Israel steht in Jesaja 5. Propheten wie Jeremia, Hesekiel und Hosea mussten selber unangenehme, zeichenhafte Handlungen vornehmen, um Gottes Botschaft zu veranschaulichen und zu verdeutlichen. Ein jüdisches Sprichwort zur Zeit Jesu sagte: Der Reiche hilft dem Armen in dieser Welt, doch der Arme hilft dem Reichen in der zukünftigen Welt. Wahrer Reichtum besteht also nicht darin, was man sich anhäuft, sondern darin, was ich verschenke! Das Herz der Armen, die Häuser der Witwen und der Mund der Kinder sind die unvergänglichen Scheunen dieser Welt (das hat der Kirchenvater Ambrosius gesagt)


Gleichnisse sind ausgebaute Vergleiche (nach Martin Forster): Eine Geschichte oder ein Bild steht für eine eigentliche Sache, eine geistliche Wahrheit, die erklärt werden will: Himmelreich, Gottes Wesen, Umkehr, Endzeit. Gleichnisse haben zwei Ebenen: eine Erfahrungsebene und eine Offenbarungsebene: Vater, König, Richter, Hausherr, Gastgeber, Hirte und Weinbergbesitzer stehen für Gott, Kinder, Knechte, Schuldner, Gäste und Schafe für die Menschen. Die Erfahrungsebene ist nur scheinbar real, sie ist pseudorealistisch und stilisiert (nach Susanne Schmid). Das äussert sich an Abweichungen zum Alltäglichen, beispielsweise in übertriebener Härte wie "Knecht in Stücke hauen", in spezifischen Zahlen wie die zehn Jungfrauen, ungeschicktem Verhalten des Säemanns und in Sprechchören.


Die Gleichnisse haben oft Galiläa als Hintergrund und setzten Lebensweise, Gewohnheiten, historische Ereignisse und aramäische Sprache der Bewohner voraus. Galiläa war ein königliches Land mit dörflich-landwirtschaftlichen Strukturen, das an verdiente Leute, die Haushalter oder Verwalter, verpachtet wurde. Diese waren verantwortlich für eine gute Bewirtschaftung und Geschäftsführung. Der eigentliche Grundstückbesitzer wohnte aber meistens weit weg, ausserhalb von Galiläa. Orientalische Erzähler haben zudem Freude an grossen Zahlen, wunderbaren Vorgängen und Uebertreibungen und setzen diese gekonnt ein.


Die Gleichnisse sind an drei verschiedene Adressaten gerichtet: die Jünger, das Volk oder die Pharisäer. Die Adressaten sind wichtig, damit wir nicht falsche Schlüsse ziehen. Gleichnisse sind zudem sprachliche Waffen, denn das Gegenüber kann schockiert und zur sofortigen Reaktion herausgefordert werden. (frei nach Joachim Jeremias). Gleichnisse sind auch ein Weg, um zu Menschen in "Trance", im Sinne von Verblendung, Fixiertheit und Verstockung zu sprechen; Menschen, die eigentlich sehen und hören können, es aber trotzdem nicht tun (nach Clarence Thomson)


Es gibt Mehrfachgleichnisse: zwei oder mehrere verschiedene Gleichnisse, die den gleichen Sachverhalt, die gleiche Wahrheit mit unterschiedlichen Geschichten beleuchteten.
Bestes Beispiel ist Lukas 15: drei Gleichnisse, die Gottes unglaubliche Suche und Erbarmen illustrieren: Das verlorene Schaf, das verlorene Geldstück und der verlorene Sohn.
Lukas 16: zwei Gleichnisse zum Umgang mit Geld und Besitz ("Mammon"): Der untreue Verwalter und der Reiche und der arme Lazarus. Dann gibt es längere Gleichnisse, die zwei Höhepunkte haben: die Einladung zum Hochzeitmahl und der Mann ohne Festgewand.


Jedes Gleichnis hat eine "Pointe", einen springenden Punkt. Klaus Berger, der deutsche Theologe schreibt in seinem Buch "Jesus" auf Seite 238 dazu: Das Gleichnis (vom verlorenen Groschen in Lukas 15,8-10) handelt aber von Gott. Im Bild dieser Frau steht seine närrische Suche im Zentrum, seine, Gottes wahnsinnige Freude. Denn er, der Herr der Welten, ist auf der Suche nach jedem verlorenen kleinen Menschen. Er kehrt das Haus um, auf dass er den Letzten finden kann. Die normale Weltordnung ist hier verkehrt worden: Nicht wir müssen Gott suchen, den mächtigen und barmherzigen, sondern er sucht uns. Verzweifelt fast, um jeden Preis. Und wer sein Haus umkehrt, um einen Groschen zu suchen, der tut es auf Knien. Nicht wir knien hier, sondern Jesus schildert hier Gott auf Knien. Ein merkwürdiger Gott – versteht der denn gar nichts von Würde?
Oder zum Beispiel Lukas 16: Der untreue Verwalter. Der springende Punkt ist, dass die Klugheit dieses Betrügers gelobt wird! Er schafft sich Freunde mit dem Geld. Auch wir sollen klug sein im Umgang mit Geld und uns ewige Freunde damit verschaffen!
Zum Gleichnis vom vierfachen Acker sagte der deutsche Theologe Helmut Thielicke: Gottes Gnade ist keine billige Gnade; man muss sie mit allem, was man ist und hat, bezahlen. In die Hölle kann man bummeln. Das Himmelreich kann man nur mit Gewalt an sich reissen. Ja, es ist sehr aufregend, ein Christ zu sein. Da geht es immer ums Ganze. Und auf den stillen Aeckern passiert mehr als an den grossen Knotenpunkten des Verkehrs, wo die roten und grünen Ampeln hängen.

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