Montag, Juli 30, 2012

Jesusgebet, Theoästhetik, Nahtoderfahrungen und kultische Handlungen

Zum Jesusgebet: Bobert nimmt aufgrund verschiedener Quellen (sie nennt Christofoor Wagenaar und vor allem Emmanuel Jungclaussen) an, dass es um 400-550 in Griechenland, Kleinasien, Garza und im Sinai entstanden ist. 1792 tauchte es in Griechisch in Venedig auf, 1870 erschienen in Kasan auf Russisch die „Aufrichtigen Erzählungen eines russischen Pilgers. Darin werden drei Gebetsformen unterschieden: . . . . . . . . . . 1. Lippengebet 2. Verstandesgebet 3. Herzensgebet oder Gebet des Geistes. Die Folgen der kontinuierlichen Anwendung des Jesusgebet seien: . spüren der Liebe und der Ruhe Gottes, . Gedankenreinheit und Warmherzigkeit, . Offenbarungen durchleuchten die Vernunft, . eindringen in die Heilige Schrift, . verstehen der Sprache der Schöpfung . Leichtigkeit und Losgelöstheit . . . . . . . . . . Theoästhetik: Erst in Gott spiegelt sich der wahre Mensch, der Seelengrund, der reine Geist, das „Antlitz“ oder eben das Ebenbild Gottes; hier geschieht Anbetung im Geist. Der kontemplative Weg nimmt wahr und akzeptiert was ist. Je inniger die gespürte Gegenwart Jesu wird, desto tiefer reichen seine Berührungen; und ich kann loslassen, was meinem Wesen als Ebenbild Gottes fremd ist. Ziel ist Geistesklarheit, Indifferenz, „Apa-theia“ und „Hesychia“ im Alltag. Diese bewirkt Empathie und Liebe und freut sich an Fortschritten anderer. Vor allem durch den Rationalismus und seit 1800 wurde Gott domestiziert, kultiviert, bürgerlich und niedlich gemacht. Begehren, Geniessen und Erschrecken bei Gott war danach kaum mehr denkbar. Das lässt den Menschen kindlich bleiben und konsumistisch glauben. Gott wird zum Kuschelgott, den man wie einen Teddybär auf dem Sofa liegen und beiseite lassen kann. Reife Menschen dagegen wollen echte Nähe durch Beziehung und Eros. Im Gegensatz zum Neoplatonismus lässt christliche Mystik Sexualität zu. Schon für Ambrosius, 333-397, war Christus der Geliebte und der Mensch die Braut. Johannes von Fécamp, 990-1078, dagegen erlebte Christus als Priesterkönig; Rupert von Deutz (t 1130) wiederum hatte erotische Christuserfahrungen mit Küssen und Umarmen. Die Blütezeit der Minne- und Brautmystik war aber erst im 13. und 14. Jahrhundert. . . . . . . . . . Nahtoderzählungen: Am frühesten ist bei Gregor dem Grossen, 540-604, von Nahtoderzählungen die Rede, um die Unsterblichkeit der Seele zu belegen. Reisemerkmale von Nahtoderfahrungen waren in der Regel: · Seele tritt aus dem Körper aus · Symbolische Zeitspanne einer Nacht · Schutzengel oder Schutzheiliger als Seelenführer · Leitern, Schiffe, etc. sind Transportmittel in die Transzendenz · Im Jenseits gibt es eine dynamische Topografie: Hindernisse wie Mauern, Feuer Brücken, Dämonen und Weggabelungen · Reise durch die eigene Seelenlandschaft · Wiedereintritt der Seele in den Körper, Bekehrung und Verwandlung in ein anderes Leben · Form/Gestalt wird literarisch überarbeitet, damit sie kulturell geformten Seelenlandschaften entspricht Boberts Interpretation und Empfehlung dazu ist, sich ganz der Barmherzigkeit Christi anzuvertrauen. Später pflegten vor allem die Zisterzienser eindrückliche Sterbebegleitung an ihren Mönchsbrüder bis in die Gegenwart (so Berhardin Schellenberger: Die Stille atmen. Leben als Zisterzienser. Stuttgart 2005). Konstant auch an heutigen Nahtoderzählungen sind: · Lichterfahrung (seit Moody Lichtwesen und nicht mehr Gott!) · Buch, Waage oder heut auch „Film des Lebens“ · Mauern unterscheiden zwischen Jenseits und Diesseits, nicht mehr zwischen Erlösten und Verdammten · Bekehrungsschock, der zu abrupter Umkehr und Lebensveränderung führen kann . . . . . . . . . . Die Bedeutung der kultischen Elemente in den christlichen Konfessionen: In den orthodoxen Kirchen sei der Kultus Mystik für alle. Rituale seien Einstieg, um einen gemeinsamen Weg der Reinigung, Erleuchtung, Schau und Einung zu gehen. Ziel sei die Vergottung des Menschen. Gottesdienst vergegenwärtige Menschwerdung Gottes und verschränke Himmel und Erde. Im Protestantismus dagegen geschah bald nach der Reformation ein bedeutender Substanzverlust durch die aufkommende Rationalität. Die zunehmende Atomisierung der Menschen führte zu einer Innerlichkeit und einem individuellen Verständnis. Sinnlich repräsentierter, gemeinsamer Inhalt wie in der katholischen Kirche gab es wenig oder kaum noch! Vor allem Bonhoeffer hat auf dieses Manko aufmerksam gemacht, er forderte eine evangelische monastische Theologie und eine anthropologische Aesthetik der Verwandlung, der Metamorphose von Leben, Tod und Auferstehung. Das ästhetische Ziel ist Gleichgestaltung des Menschen mit Jesus Christus. Sich Gott ergeben heisst Christi Bild tragen. Bobert plädiert für eine alltagstaugliche Mystik als Gegenpol zu den Mantren in den Medien und in der Werbung. Gottesdienst sei symbolische Vergegenwärtigung von Jesus Christus als Wort durch Menschen als Wort, es gehe darum, intellektuell, körperlich, mental und emotional ausgerichtet und zentriert zu sein auf Jesus, dem leibgewordenen Wort. Rituale sollen Klarheit erzeugen und deshalb auf Christus hinweisen, sie machen geistige, unsichtbare Wahrheiten sinnlich (erfahrbar). Imagination, pneumatisches Sehen und Meditation dienen als Vorbereitung auf das Wort (Gottes), das Inhalt, Beziehung, Form und Gestalt hat. Das wird besonders im Abendmahl augenfällig, wo Christus in Brot und Wein konzentriert gegenwärtig sei. Die Wandlung sei ein Passageritual, ein transzendentes Ereignis für das geistige Auge. Auch Luther feierte noch bewusst die Messe, er liess nur die Opferkultgebete des Canon Missae weg. Und die lutherische Kirche benutzte bis um 1800 die alten, katholischen Messbücher. . . . . . . . . . Boberts Sicht auf die Entwicklung des Eucharistieverständnis: Bei der Eucharistie geht es um die Transformation der rituellen Elemente Brot und Wein, die Sichtweise auf diese Transformation aber wurde erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelt und entfaltet: · Ephrem der Syrer, 306-373, sah in den gewandelten Elementen Feuer, das vom Geist durchdrungen war · Johannes Chrystostomos, 344-407, sah den Priester im Kraftfeld pneumatischer Energien · Symeon der Neue Theologe, 949-1022, sah die Elemente vermischt mit Blut, eingetaucht in Gott und als Glieder am Leib Gottes · Carl Gustav Jung, 1875-1961, meinte, dass die Messe mit ihrem Aufbau bestehend aus Vormesse, Oblatio, Censecratio, Communio und Nachmesse ein Mysterium mit therapeutischer Kraft sei. Es sei eine rituelle und schöne Verdichtung des Lebens von Jesus Christus und der Selbsthingabe der Menschen durch die Gaben, die sie Gott darbringen. Vergeistigung geschehe durch die Anrufung des Heiligen Geistes, und Christus erscheine in den Elementen Brot und Wein, die Ewigkeit seines einzigen Opfers tritt dabei zutage. · Teilhard de Chardin und Wolfgang Pannenhart: Die Eucharistie ziele nicht auf Wandlung von Brot und Wein (Transsubstantiation), sondern auf die Verwandlung von Menschheit und Kosmos. Materie und Geist sind durch Gottes Gegenwart nicht mehr getrennt, sondern seine Gegenwart ist in allem Geschaffenen. Es gibt keine geistlose Materie mehr und nur noch eine Wirklichkeit. Materialismus ist eine Verabsolutierung der Wirklichkeit und greife zu kurz. Christus sei in der Welt umwandelnd gegenwärtig. Eucharistie sei Nahrung wie Milch und Energie, aber auch ein Uebergangsritual wie das Pascha, was hinübergehen heisst. Rituelle Symbolhandlungen werden leibhaftig durchlebt und seien so Prismen des Unsichtbaren oder „Landart des Heiligen“. . . . . . . . . . Zur lutherischen Taufe: Bobert plädiert stark dafür, die Taufe wieder so durchzuführen, wie sie Martin Luther praktiziert hatte, nämlich als Schwellenritual, das in die christliche Gemeinde eingliedert hatte, und aus folgenden Elementen bestand: 1. kleiner Exorzismus 2. Kreuzeszeichen 3. Gebete 4. grosser Exorzismus 5. Kinderevangelium verlesen 6. Vaterunser beten 7. „Abrenuntiatio“ Absage an das Böse (am Taufstein) 8. Glaubensbekenntnis 9. Waschritus (zur Eingliederung in die christliche Gemeinde) Seit 1800, als der Rationalismus vorherrschend wurde, wurde die Taufe fast nur mehr auf Worte reduziert und in bürgerlicher Umgebung gefeiert. Damit ging viel der rituellen Handlungen und vom symbolischen Gehalt verloren, das Herausnehmen des Täuflings aus der Finsternis und das Eingliedern in die Gemeinschaft, ins Licht.

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Montag, Juli 23, 2012

Wie Körper und Geist zusammenwirken

Interessant sind auch Boberts Ausführungen zu Körper und Geist, zuerst im speziellen zum Placeboeffekt: Das Wort „placebo“ werde in Psalm 116,9 verwendet, wo es „Gefallen“ bedeutet. Daraus sind Totenandacht, danach Scheinheiliges und heuchlerische Ersatzhandlung geworden. Zum medizinischen Begriff wurde es erst um 1900; der Placeboeffekt beschrieb Henry Beecher 1955, der Erfahrungen als Anästhesist im 2. Weltkrieg machte bei Schmerzmittelmangel und Placebos an verletzte Soldaten verteilte und Linderung feststellte. Herbert Benson schrieb 1997 in München zu „Heilung durch Glauben“. In der Materie wohne eine „schöpferische Potenz“, der Geist. Dieser Geist vermag den Körper umzugestalten durch biochemische Prozesse. Innere Bilder, Träume, Meditation und mantrisches Gebet lenken unsere Aufmerksamkeit, wirken positiv oder negativ durch das Gehirn auf den Körper ein. Das Bewusstsein steuert den Körper. Achtsamkeit ist das grundlegende Werkzeug zur Formung des Menschen. Leben in der Gegenwart, wirklich ganz da zu sein, gewahr zu sein, beeinflusst den Stoffwechsel positiv. Man spricht da von „Mindfulness-Based Cognitive Therapy MBCT“. In diesem Sinn bedeutet meditieren nicht leer werden, sondern Bewusstseinstraining und Gehirnbildung „brainbuilding“. Gehirne sind lebenslang modellier- und veränderbar, deshalb auch in einem gewissen Sinn frei und nicht vorherbestimmt. Alle wissenschaftlichen Ergebnisse sind und bleiben interpretationsbedürftig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wesentliche Beschreibungen und grundlegende Entwicklungsschritte im Verhältnis von Mensch und Gott, Körper und Geist sind von folgenden Personen erzielt oder festgehalten worden: · Gregor von Nyssa, 330-395, wendete Bilderverbot auf das Gebet an, denn der unsichtbare Bräutigam sei da · Evagrius Ponticus, 345-399, ein Schüler von Gregor von Nazianz und gebildeter Mönch in der nitrischen Wüste Aegyptens, beobachtete seine eigenen Gedanken und lernte so „die Unterscheidung der Geister“. Er sah den Geist des Menschen auf Gottes- und Selbsterfahrung hin angelegt. Er empfahl zudem, nicht das Aussergewöhnliche und Spektakuläre zu suchen, weil dort die Dämonen der Ruhmsucht und des Stolzes seien. Generell haben die Wüstenmönche betont, dass man Jesus nur durch Anstrengung, Demut und unaufhörliches Gebet „besitzen“ könne · Cassian, 360-435, hinterliess in seinen „Collationes“ einen mantrischen, bildlosen Weg des Gebets · Bernhard von Clairvaux, 1090-1153, betete: „O jähe, heftige, brennende, ungestüme Liebe, die du keinen nicht auf dich bezogenen Gedanken duldest, ... alles ausser dir verschmähst (du) und mit dir allein zufrieden bist. Du lehnst alle Ordnung ab, kehrst dich an keine Schicklichkeit, kennst kein Mass. Ueber alles, was gute Zeit, Vernunft, Sitte, Rat und Ueberlegung zu sein scheint, setzest du dich siegreich hinweg. Alles, was die Braut denkt und spricht, tönt nach dir, duftet von dir und von nichts sonst. So sehr hast du Herz und Zunge in Beschlag gelegt.“ Deshalb sei jeder Mensch zur Liebe, ja zur Liebesvereinigung mit Gott bestimmt. Er sprach von fünf Liebesstufen: 1. Fleischliche Liebe: Der Mensch liebt sich selbst 2. Soziale Liebe: Der Mensch liebt Gott als Sklave 3. Funktionale Liebe: Der Mensch liebt Gott als Arbeiter 4. Faszinierende Liebe: Der Mensch liebt Gott als Kind 5. Bindende, innige, masslose, selbstlose, trunkene, verwandelnde Liebe: Mensch liebt Gott als Braut · Martin Luther, 1483-1546, definierte Glauben an Gott als von Gott geführtes Zusammensein von Gott und Mensch, das in lectio, oratio, meditatio und tentatio geübt werde · Ignatius von Loyola, 1491-1556, Gründer des Jesuitenordens, schrieb ein Exerzitienbuch. Darin macht er auf Gefahren der Egozentrik und Projektion beim Beten aufmerksam. In der Betrachtung Gottes, um Liebe zu erlangen, geht es um Verzicht auf äussere und mentale Aktivitäten (EB 234): „Nehmt, Herr, und empfangt meine ganze Freiheit, mein Gedächtnis, meinen Verstand und meinen ganzen Willen, all mein Haben und mein Besitzen. Ihr habt es mir gegeben; Euch gebe ich es zurück. Alles ist Euer, verfügt nach Eurem ganzen Willen. Gebt mir Eure Liebe und Gnade, denn diese genügt mir.“ Er unterschied drei Stufen auf dem Weg zu Gott: 1. Reinigungsweg: Ruhig werden, Wahrnehmen und Unterscheiden von gedanklichen und gefühlten Prozessen: heilsamer Trost bewirkt Ruhe, Freude, Friede und Liebe in Gott; zerstörerische Trostlosigkeit führt zu Verzweiflung, Unruhe und Hass 2. Erleuchtungsweg: auf äussere Sinne verzichten, langsam beten und zunehmendes Verweilen in heilsamen Gedanken und Gefühlen: Indifferenz „Hesychia“ 3. Vereinigungsweg: blosses Schauen der göttlichen Personen ohne jegliche Aktivität mittels Jesus-Gebet, das an Atem gebunden ist; dauerhaftes Verweilen in heilsamen Gedanken und Gefühlen · Teresa von Avila, 1515-1582, unterschied vier Gebetsformen: 1. äusserliches, vorgesprochenes und nachahmendes Beten für Kinder 2. fragendes und reflektierendes Beten für Jugendliche 3. affektives und vertrauendes Beten wie zu einem Freund 4. kontemplatives, konzentrierendes und stilles Beten (das haben besonders Emmanuel Jungclaussen, Franz Jalics und Peter Dyckhoff in der Gegnewart aufgegriffen) . Johannes Maria Vianney (in Ars), 1786-1859, hat gesagt: „Ich schaue den guten Gott an, und der gute Gott schaut mich an“ · William James, 1842-1910, hat als einer der ersten 1890 über Neuroplastizität und Introspektion geschrieben · C. G. Jung, 1875-1961, forschte über das kollektive Unbewusste und das wahre Selbst des Menschen · Viktor Frankl, 1905-1997, machte auch überbewusste Erfahrungen · Abraham Maslow, 1908-1970, beschrieb überbewusste Erfahrungen in seiner Psychologie des Seins · John Main, 1926-1982 erneuerte die benediktinische Spiritualität mit Mantren, wie sie bereits Cassian in seinen Collationes als bildlosen Gebetsweg gelehrt hatte · Paul Virilio, geboren 1932, machte u.a. auf die Zeitrevolutionen aufmerksam: Transportwesen im 19. Jahrhundert, Uebertragungsmedien im 20. Jahrhundert und Entmaterialisierung und Körpervirtualität im 21. Jahrhundert · Mihaly Csikszentmihalyi, geboren 1934, schrieb ein Buch über „Flow“, worin er Zustände jenseits von Angst und Langeweile beschrieb, überwache Zustände mit hoher Konzentration. · Matthieu Ricard, geboren 1946, französischer Wissenschaftler und Buddhist, hat ein Buch über Glück geschrieben (München 2009). Er weist darauf hin, dass das Gehirn nicht äusseres und inneres Erleben unterscheide. Wir seien unseren eingeschliffenen Charaktermuster nicht schicksalhaft ausgeliefert. Die Lenkung der Aufmerksamkeit auf heilsame Bilder baue gesunde Charakterstrukturen auf.

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Freitag, Juli 06, 2012

Pixcel-Ich

Die gegenwärtige Befindlichkeit der westlichen Menschen schätzt Bobert so ein: Im sogenannten „Pixcel-Ich“ zeigen sich ein übersättigtes Selbst, andauernde Identitätssuche und zu viele Umbrüche. Man spricht auch von „MPS“, dem multiplen Persönlichkeitssyndrom, das auf acht bis neun Teilpersönlichkeiten kommt. Eine grosse Zerbrechlichkeit zeichnet die Menschen heute im Westen aus, die zugleich oft auch Narzissmus ist. Sie kann sich auch in Wut äussern (nach Heinz Kohut). Narzisstische Personen sind auch verunsichert und häufig tragisch, sie pflegen verschmelzende, idealisierende und überlegene Beziehungen. Teddys, die sie haben, sind Uebergangsobjekte und Realsymbole für die Mutter. Sie haben daher auch viel eher ein mütterliches Gottesbild, das Ausdruck der Suche an Ansehen und Geborgenheit ist. Das Muttergesicht ist in der menschlichen Urerfahrung der primäre Ort der Gnade: „Wenn ich schaue, werde ich gesehen, also existiere ich.“ Diese nicht endende Spiegelung, das Bewahren des Muttergesichts, kann zur Fixierung, zum „Kokon“, zum Schauen in einen toten Spiegel werden. Tote Spiegel werden dann zu Drogen, Fetischen, dämonischen Symbolen, Selbstverletzungen, Götzen, falschen und selbstkonstruierten Gottesbilder. Gesund dagegen sind schöpferische Arbeit, Einfühlungskraft, Begrenztheit, Humor und Weisheit. Gott sprenge letztlich alle Bilder; und wir beten, weil wir (noch) nicht sehen und erkennen, Gottesschau erfolge durchs Auge der Kontemplation (Hugo von St. Viktor). Auch die Wissenschaft kenne seit der Entdeckung der Quantenmechanik 1927 keine Objektivität mehr, sie kann nicht mehr genau sagen, wie die Welt wirklich beschaffen ist. Das Universum wird eher und vermehrt als grosses Gewebe, als Einheit und Verbundenheit betrachtet. Rationalität allein genügt nicht mehr, auch Intuition hat wieder ihren Platz (frei nach Urich Schnabel: Die Vermessung des Glaubens. München 2008). Bobert verweist auch auf den englischen Landartkünstler Andy Goldsworthy, der eine Welt hinter Worten zeigt. Er sieht etwas, das immer schon da war, aber für das er bisher blind war. Die Kraft in der Materie sei Leben, sie mache sie zu Lebewesen. Mystische Erfahrung sei Einheit, Reinigung, Gegenwart, Zweckfreiheit und Unsagbarkeit. Zu Boberts Glaubenseintrittsverständnis: Für sie ist die Taufe das Bad der Wiedergeburt, eine Metamorphose, eine Erleuchtung durch den heiligen Geist. Das ist Christusgeburt in der Seele, „jeder Christ muss so zur Mutter Christi werden, zugleich ist Christus unser Wagenlenker“. Gott können wir nur durch geistliche Verwandlung erkennen, in Begegnungen mit Christus erhalten wir ein pneumatisches Gewand. So wie Kleider den Körper bedecken, bedecke der Körper bereits die Seele. Geisttrunken werden wir von der Eucharistie, von Christus im Wort und von der Eingiessung des Heiligen Geistes.

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Mittwoch, Juli 04, 2012

Seccum esse

Ganz wichtig für Sabine Bobert ist „secum esse“, das bei sich sein und die Einsamkeit erlernen und aushalten können. Wahrscheinlich geht dieser Gedanke am stärksten auf Antonius, der 251 bis 356 gelebt hatte, zurück. Mit seinem einsamen Gang in die ägyptische Wüste und der damit verbundenen Askese etablierte er ein neues Lebensmodell, ja sogar einen Kulturtrend, die in der „Vita Antonii“ beschrieben worden ist. „Wer die himmlische Wirklichkeit wolle, der ziehe allein in die Wüste.“ Nachfolge bedeutete für ihn Zentrierung auf Jesus Christus, die Aufmerksamkeit lebenswirksam auf ihn lenken, Unwesentliches, Irrtümer und Zuschreibungen loslassen und auch sozial fremd sein und somit die Todeseinsamkeit vorwegnehmen. Dieses in Jesus zu ruhen, die „Hesychia“, brauche aber Training. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . In die gleiche Kerbe schlug später auch Ignatius von Loyola, der 1491 bis 1556 gelebt hatte, mit seinen geistlichen Uebungen. Besonders lehrte er, sich indifferent gegenüber dem Geschaffenen und Gegebenen zu machen. Noch heute sind seine grundlegenden Uebungen anwendbar und hilfreich, weil sie dem zu starken sozialen Zwang zur Individualisierung entgegenstehen. Christlicher Glaube lebt nach Bobert auch von Sozialisierung und Individualisierung durch spirituelle Techniken wie Einsamkeit, Schweigen, Fasten, Introspektion, Tagesstrukturen wie „ora et labora“, gemeinsames Singen und geistliche Begleitung. Schon die Wüstenväter achteten sowohl auf Erfüllung mit dem Heiligen Geist als auch gute Lebensweise, Herzenserkenntnis und Unterscheidung der Geister. . . . Als Beispiel für einen solchen gottgefälligen Lebensstil erwähnt Bobert Charles de Foucauld, 1858-1916, ein französischer Offizier und Lebemann, der 1881 wegen mangelnder Disziplin in die Armeereserve versetzt wurde und ein Jahr später von seiner Familie entmündigt wurde wegen Vermögensverschleuderung. In Kaplan Henri Huvelin fand er danach einen geistlichen Begleiter und kehrte um. 1901 wurde er Priester mit einer Sendung in die Sahara; bei den Tuareg war er dann „Bruder Karl“. 1902 schrieb er die Regeln der kleinen Schwestern vom Heiligsten Herz Jesu. In seinem abgelegenen Kloster wurde er aus Versehen von einem jungen Tuareg-Soldaten getötet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auch Henri Nouwen, der begabte Psychologieprofessor, ging 1974 für sieben Monate ins Trappistenkloster, um seinen Zwängen und seiner Leere zu entkommen. Darüber schrieb er das Buch: Ich hörte auf die Stille. Abt John Endes Bamberger wurde im Kloster sein geistlicher Begleiter und verhalf Nouwen zu einer besseren Selbstwahrnehmung. Dazu gehören: . . . · eigene Grenzen akzeptieren, · Gottesbild verändern lassen, · Leidenschaften wahrnehmen und · den Kampf aufnehmen
Für Bobert sind Stufen des Glaubens jenseits materialistischer Reduktion wesentlich. Erfahrene und nicht nur geglaubte Liebe verwandle die Menschen. Einzelne Psychologen wie Fowler, Kohlberg und Graf haben dies aufgenommen und davon geschrieben: · James W. Fowler: Glaubensentwicklung. München 1989 · James W. Fowler: Stufen des Glaubens. München 1991 · Lawrence Kohlberg: Die Psychologie der Moralentwicklung. Frankfurt 1996 · Lawrence Kohlberg: Die Psychologie der Lebensspanne. Frankfurt 2000 · Stanislav Graf: Spirituelle Krisen. München 1990. Er hat einen transzendenzoffenen Ansatz ähnlich wie C.G. Jung. Spiritualität wird nicht nur negativ und krankmachend dargestellt, sondern auch reinigend, ekstatisch und umgestaltend erfahren, was sehr aufbauend sein kann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von diesen Stufen des Glaubens habe auch bereits Ambrosius von Mailand, 333 in Trier geboren und 397 in Mailand gestorben, gesprochen. Er war derjenige, der den Gemeindegesang in die Messe eingeführt hatte, ein pneumatisches und mystisches Eucharistieverständnis entwickelte, eine Abhandlung über den Heiligen Geist „de spiritu sancto“ schrieb, ein Kenner der Antike und Freund von Origenes war. Sein reifes theologisches Alterswerk war „De Isaac vel Anima“, worin er über Issak (Genesis 24 und 26), das Hohelied und die Seele sprach. Darin lassen sich vier Schritte unterscheiden: 1. Finden (oder Beginn; nach Ernst Dassmann, dem deutschen Ambrosiusbiograf) 2. Verlieren (Gefährdungen) 3. Wiederfinden (Läuterungen) 4. Vereinigen von Braut und Bräutigam (Vollendung)

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