Dienstag, Mai 02, 2017

Menschliche und göttliche Vergebung

Wir imitieren Gott als Werkzeuge Gottes und als seine Ebenbilder, deshalb sollen wir ähnlich geben und vergeben (Seite 214). Ähnlich wie beim Geben gibt es auch beim Vergeben einen Dreiklang: • Rache: vervielfacht das Böse. . . . • Gerechtigkeit: begrenzt das Böse. . . . • Vergebung: überwindet das Böse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gottes Zorn ist nicht ein emotionaler Zustand, sondern eine energische Zurückweisung der Sünde. Er verurteilt im Akt des Vergebens. Eines der Hauptmerkmale der Sünde ist es, dass sie sich weigert, sich Sünde zu nennen (Seite 239). Viele Täter sind in den Schlingen ihrer bösen Taten gefangen und sind nicht in der Lage, aus eigener Kraft wieder auf die Füsse zu kommen. Sie brauchen Hilfe ihre Opfer oder anderer Personen (Seite 242). Wiedergutmachung sei nicht Vorbedingung für die Vergebung, aber Frucht der Vergebung und als Zeichen, dass die Reue echt sei (Seite 243). Vergeben heisse, den Schuldigen anklagen, ihn von der Anklage entbinden, ihm die Schuld erlassen und das Vergehen dem Vergessen anheimgeben (Seite 252). Unser Vergeben sei nur ein Echo von Gottes Vergeben (Seite 261). Wir sind erschaffen worden, um Gott in dieser Welt zu widerspiegeln (Seite 270). Demut heisse, dass ich zugebe, dass ich falsch liegen könne (Seite 272). Die heutige prozesswütige Kultur in den USA stehe in Kontrast zu Gottes Vergebung (Seite 273). Wir sind auch als Opfer immer noch Sünder; und wir sind auch als Täter noch Gottes gute Geschöpfe. Unsere Taten werden durch die Neigung zur Sünde genährt und durch eine sündige Kultur verstärkt, deshalb gibt es keinen Gründ für Stolz. Unser Vergeben ist fehlerhaft, Gottes Vergeben dagegen fehlerlos; unser Vergeben ist provisorisch, Gottes Vergeben bleibt endgültig (Seite 283).

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Montag, Mai 01, 2017

Nehmen und Geben - Glauben und Empfangen

Volf zitiert die kanadische Historikerin und Kulturwissenschaftlerin Natalie Zemon Davies, die drei Arten von Geben unterschieden hat: • Zwangsmodus: wir nehmen verbotenerweise. . . . • Kaufmodus: wir erwerben legal. . . . • Schenkmodus: wir geben grosszügig. . . . Gott sei nicht der selber empfangende Geber, sondern der unendliche und absolut liebende Geber (Seite 76). Wir sollen Gott ähnlich, aber nicht gleich werden. Weihnachten dürfe daher nicht zum gegenseitigen Schenken verkommen, sondern soll im Sinn Gottes auch ein einseitiges sein, das vom Empfänger nicht wirklich erwidert werden kann! Paulus hat von der Gemeinde, in der er jeweils tätig war, nie Geld für sich angenommen, sondern nur um an andere weiterzugeben. Der Philipperbrief ist ein einziges langes Dankeschön, aber Paulus dankte ihnen an keiner Stelle; denn der Geber war Gott, und die Philipper waren nur sein Kanal. Das biblische Verständnis von Gleichheit verträgt es, dass der eine mehr hat und der andere weniger; aber nicht, dass der eine Überfluss und der andere Mangel hat (Seite 104). Kain war wie Adam und Eva ein „Nehmer“, während Abel ein „Geber“ war. Kain scheute daher nicht zurück, Abel das Leben zu nehmen. Sünde ist eine Art Gegengabe, eine perverses Gegenmittel, das all die guten Gaben neutralisiert und verdirbt. Auch als Sünder sind wir noch Gottes gute Schöpfung; aber wir sind wie Wasser, das durch Tinte gefärbt und verschmutzt ist.
Gott sei weder ein unerbittlicher Richter noch ein alter Opa, sondern ein Gott, der gerne vergibt, weil er nichts brauche (Seite 169). Luthers Problem war nicht psychologischer Natur, sondern theologischer Art, weil er Gott als unbestechlichen Richter und zornig aus Liebe ansah (Seite 173). Rabbinisch gesprochen verdankt die Schöpfung ihre Existenz Gottes Vergebung (Seite 175). Luther hielt es für ein grosses Problem, dass die Menschen egozentrisch seien; Volf stellt daher die berechtigte Frage, wie wir das denn heute sehen würden? Bei der Vergebung gehe es in der Tiefe nicht darum, etwas zu sagen, sondern etwas zu tun. Gott vergab, indem er Jesus als Sühneopfer hinstellte. In Christus versöhnte Gott die Welt mit sich selber. Gott hat die Sünden der Menschen auf Gott gelegt; er trägt die Last unserer Vergehen (Seite 187). Nach Luther liegen unsere Sünden auf Christus und sind in Christus verschlungen; er bekleidet uns mit seiner Gerechtigkeit und verwandelt uns in christusähnliche Menschen auf dem Weg zur neuen Schöpfung. Der Glaube klammere sich an Christus wie ein Ring einen Edelstein umfasse. Im Glauben öffnen wir die Hände, um Christus zu empfangen. Unsere Grundsünde sei es, Gott nicht ganz zu vertrauen, und infolge dieses Versagens fallen wir in viele verschiedene konkrete Sünden. Zudem tun wir so, als ob wir das, was wir haben, nicht von Gott empfangen hätten (Seite 197). Schuld bekennen heisst, dass wir durch das Tor der Beschämung in das Land der Freiheit treten (Seite 199).

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Miroslav Volf: Umsonst

Miroslav Volf wurde 1956 in Osijek, im damaligen Jugoslawien und heutigen Kroatien, geboren. Er hat in Kroatien, im deutschen Tübingen und am Fuller Theologican Seminary im kalifornischen Pasadena Theologie studiert. Er ist heute einer der einflussreichsten anglikanischen Theologen, die zudem dem Evangelikalismus nahe stehen. Aufgrund seiner Erfahrungen im Jugoslawienkrieg und der Unabhängigkeit Kroatiens vertritt er bewusst eine Theologie der Befreiung, der Versöhnung und der Gewaltlosigkeit, ohne aber naiv zu sein. Gegenwärtig ist er Professor an der Yale University in New Haven, Connecticut, USA. . . . . . . . . . . . . . Zum Buch: Der Originaltitel heisst Free of Charge und ist 2005 bei Zondervan in Grand Rapids erschienen. 2012 ist das Werk mit dem Titel Umsonst - Geben und Vergeben in einer gnadenlosen Kultur, im Brunnen Verlag Giessen unter der ISB-Nummer 978-3-7655-1185-1 erschienen. Das äusserlich eher unscheinbare Buch ist ein theologisch durchdachtes Buch, wie man es von Volf gewohnt ist! Es beginnt mit dem Präludium „Die Rose“, worin Volf viel Persönliches preisgibt, indem er beispielsweise über die bewegende Adoption seiner zwei Söhne schreibt. Er benutzt hier bewusst eine Sprache des Herzens, denn die Augen seien gemäss dem kleinen Prinzen von Saint Exupéry blind, man müsse mit dem Herzen suchen. Damit gibt er auch eine passende Haltung vor, mit der dieses Buch mit Gewinn gelesen und verstanden werden könne. . . Volf weist schon im ersten Kapitel darauf hin, dass unser Gottesbild nicht mit der Gottesrealität identisch sei. Gott sei weder ein Kuhhandelgott noch ein Weihnachtsmann, sondern ein rein Schenkender. Er brauche zwar nichts von uns, und doch verlange er mehr von uns, als wir ihm geben könnten. Alles, was wir ihm schenken können, hat er uns schon längst gegeben. Luther habe den Unterschied von Gottes und des Menschen Liebe betont: aus dem Nichts und durch Reflektion. Glauben heisse daher, Gottes Gaben bereitwillig empfangen; sich dem Geber gegenüber angemessen verhalten und Gott die leeren Hände hinhalten, dass er sie fülle (Seite 52). Von Gott im Glauben empfangen ist die höchste Würde des Menschen. Glaube ist ein Wohnen Gottes in uns und zum Wohl der Schöpfung wirken. Wer Gott dankt, sagt dem göttlichen Geber, dass er das, was er von ihm bekommen hat, wertschätzt; er gibt Gott die Ehre dafür.

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